Tag 197

Mit weichem Herzen und harten Sohlen

Weisheit Sprüche 17,9
Neues Testament Römer 2,25–29
Altes Testament Amos 2,6-7

Einführung

Eine einundzwanzigjährige Musikstudentin nahm das billigste Schiff, das die meisten Häfen anlief und betete, sie möge erkennen, wo sie aussteigen soll. So landete sie 1966 in Hong Kong. Die Walled City war ein relativ kleiner, dicht besiedelter, rechtsloser Stadtteil Hong Kongs, der weder von China noch von der Kronkolonie Hong Kong kontrolliert wurde. Ein Hochhaus-Slum im Griff von Drogen, Gangs und Prostitution. Sie schrieb:

„Mir gefiel dieser finstre Ort. Ich hasste, was sich dort abspielte, aber ich wollte nirgendwo sonst sein. Es war fast, als sähe ich schon eine andere Stadt an diesem Ort. Eine Stadt, die vor Licht erstrahlte. Mein Traum: Keine Tränen, kein Tod, kein Schmerz mehr. Die Kranken geheilt, die Gefangenen befreit, die Hungrigen satt, Familien für die Waisen, Wohnungen für die Obdachlosen, eine neue Würde für die, die in Schande gelebt hatten. Ich hatte keinen Plan, wie ich das schaffen sollte, aber in meinem „visionären Eifer“ stellte ich mir vor, dass ich die Bewohner der Walled City dem Einen vorstellen wollte, der alles verändern könnte: Jesus.“

Jackie Pullinger arbeitet nun seit über einem halben Jahrhundert mit Prostituierten, Heroinsüchtigen und Bandenmitgliedern. Ich erinnere mich gut an einen ihrer Vorträge vor einigen Jahren. Er begann mit den Worten, „Gott möchte, dass wir ein weiches Herz und harte Sohlen haben.“

Jackie ist ein leuchtendes Beispiel dafür. Sie verzichtet auf Schlaf, Nahrung und Komfort, um anderen zu dienen. Gott möchte, dass wir ein weiches Herz haben, erfüllt mit Liebe und Mitgefühl. Wenn wir aber etwas in der Welt verändern möchten, dann brauchen wir dazu harte Sohlen für den steinigen Weg, gespickt mit vielen Herausforderungen.

Weisheit

Sprüche 17,9

9 Wer über die Verfehlungen anderer hinwegsieht, gewinnt ihre Liebe;
  wer alte Fehler immer wieder ausgräbt, zerstört jede Freundschaft.

Kommentar

Ein weiches Herz für andere

Wenn Gott dein Herz weich gemacht hat, wirst du anderen Menschen unweigerlich liebevoll begegnen. Wir sollen ein Leben anstreben, in dem „die Liebe lebendig“ bleibt (17,9a).

1. Liebe die Armen
Deine Haltung Armen gegenüber spiegelt deine Einstellung zu Gott wider: „Wer den Armen verspottet, beleidigt seinen Schöpfer“ (5a). Als Volk Gottes sind wir aufgerufen zur Freundschaft mit und zum Dienst an den Armen.

2. Liebe deine Familie
Gottes Idealvorstellung ist, dass du enge Beziehungen zu deinen Eltern, Großeltern und Kindern pflegst: „Enkelkinder sind der Ruhm der Alten; Eltern sind der Stolz ihrer Kinder“ (17,6).

3. Liebe deine Freunde
Zuneigung unter engen Freunden ist extrem wertvoll. Schütze deine Freundschaften. Das heißt z.B., nicht schnell eingeschnappt zu sein: „Wer über die Fehler anderer hinwegsieht, gewinnt ihre Liebe; wer alte Fehler immer wieder ausgräbt, zerstört jede Freundschaft“ (17,9; Hfa).

4. Liebe deine Kritiker
Jesus forderte uns auf, unsere Feinde zu lieben (Matthäus 5,44). Ein weiches Herz ist gewillt, Kritik anzunehmen, ob sie nun von einem Freund oder einem „Feind“ kommt. „Einem klugen Menschen nützt eine einzige Zurechtweisung mehr als einem Narren hundert Peitschenschläge auf den Rücken“ (17,10).

Gib dein Bestes, um Streit zu vermeiden: „Einen Streit anzufangen gleicht dem Öffnen eines Dammes; deshalb lass eine Sache lieber auf sich beruhen, bevor es zum Streit darüber kommt“ (17,14).

Gebet

Herr, hilf mir, so zu lieben. Hilf mir, meine Beziehungen in der Familie und zu meinen Freunden und selbst meinen Kritikern zu bewahren. Hilf mir, die Armen zu lieben und einen Unterschied in ihrem Leben zu machen.

Neues Testament

Römer 2,25–29

25 Sicher ist es ein ganz besonderer Vorzug, Jude zu sein, wenn du Gottes Gebote befolgst. Tust du dies aber nicht, dann bist du mit denen gleichzustellen, die niemals beschnitten worden sind. 26 Wenn aber umgekehrt Menschen, die nicht beschnitten worden sind, nach Gottes Geboten leben, dann gelten sie vor ihm als beschnitten. 27 Ja, solche Menschen werden sogar über euch Juden Richter sein; denn ihr seid zwar am Körper beschnitten und habt Gottes Gebote, aber ihr lebt nicht danach. 28 Die jüdische Abstammung und die Beschneidung sind also nur äußerlich und lassen noch niemanden wirklich zum Juden werden. 29 Jude ist man im tiefsten Inneren, wenn die Beschneidung mehr bedeutet als die Erfüllung toter Buchstaben. Was wirklich zählt, ist die Beschneidung, die vom Heiligen Geist kommt und einen Menschen völlig verändert. In den Augen der Menschen mag das nicht viel bedeuten, wohl aber bei Gott.

Kommentar

Ein weiches Herz für Gott

Es ist egal, was äußerlich geschieht, wenn wir kein „weiches Herz” haben. Paulus betrachtet hier, was für eine wichtige Rolle das Herz spielt. Er erläutert, dass die Juden, das von Gott erwählte Volk, dazu bestimmt waren, in einer Beziehung mit Gott zu leben. Deshalb gab Er ihnen das Gesetz. Sie kannten den Willen Gottes (2,17-18). Sie sollten „ein Führer der Blinden .. und ein Licht für die Menschen [sein], die ohne Gott in der Finsternis leben… die Unwissenden unterweisen und Kindern die Wege Gottes lehren“ (2,19-20).

Die äußere, körperliche Beschneidung war gedacht als sichtbares Zeichen der inneren, unsichtbaren Herzenshaltung. Paulus argumentiert, dass leider alle (uns eingeschlossen) daran scheitern, Gottes Gesetz zu halten (2,21-27).

Dann konzentriert sich Paulus auf das, was wirklich wichtig ist: „Ein "wahrer" Jude ist der, der es im Innersten seines Wesens ist, und die "wahre" Beschneidung ist die, die am Herzen geschieht. Sie kommt nicht durch die äußerliche Befolgung einer Gesetzesvorschrift zustande…Das Lob, das der erhält, …kommt … von Gott“ (2,29; NGÜ).

Gott geht es um dein Herz. Jeder Mensch, in dessen Herzen der Heilige Geist wohnt, erhält dasselbe Erbe wie die Juden im Alten Testament – also jeder Christ.

Heißt das nun, was den Juden gegeben war, ist wertlos? Nein. Er verweist sogar darauf, dass Jude zu sein Vorteile hat. Z. B. „dass den Juden die Worte Gottes anvertraut wurden“ (3,2). Was für ein Vorrecht! Aber wir haben nicht nur Gottes Wort in der Bibel, sondern auch Jesu Worte und das ganze Neue Testament. Damit haben wir einen noch größeren Vorteil.

Darauf wird Paulus in den Kapiteln 9-11 noch ausführlich eingehen. Hier will er ein Argument seiner Gegner widerlegen (3,3-8). Er betont wieder Gottes Treue. Selbst wenn wir untreu sind, hält Gott uns die Treue. Es wäre absurd, das auszunutzen, indem wir böse handeln. Vielmehr spornt uns Gottes Treue an, Ihm treu zu bleiben.

Gebet

Herr, bitte fülle mein Herz heute mit Deinem Geist, mit Liebe und Barmherzigkeit für jeden, dem ich begegne. Danke, dass Du uns Gottes Wort anvertraut hast. Hilf mir, Dir heute treu zu sein.

Altes Testament

Amos 2,6-7

6 So spricht der HERR: Die Leute von Israel begehen ein abscheuliches Verbrechen nach dem anderen. Das werde ich nicht ungestraft lassen! Ehrbare Menschen, die ihnen Geld schulden, verkaufen sie in die Sklaverei, ja, sie verkaufen einen Armen schon, wenn er ein Paar Schuhe nicht bezahlen kann! 7 Den Wehrlosen treten sie in den Staub, und dem Schwachen verweigern sie sein Recht. Vater und Sohn gehen mit ein und demselben Mädchen ins Bett und ziehen damit meinen heiligen Namen in den Schmutz.

Kommentar

Härte deine Sohlen, um Armen und Bedürftigen zu helfen

Ein weiches Herz muss unweigerlich zu „harten Sohlen“ führen, wenn Gottes Volk bereit ist, sich für arme, schutzlose oder unterdrückte Menschen einzusetzen und das Unrecht zu bekämpfen.

Israel und Juda erlebten eine Zeit großen Wohlstands (760-750 v.Chr.). Materieller Wohlstand ist aber nicht zwingend ein Zeichen für den Segen Gottes. Hier hatte es zu Selbstgefälligkeit, Korruption, Morallosigkeit und schrecklichem Unrecht geführt.

Amos war Prophet und kein Priester oder Tempeldiener, sondern Schafzüchter, der sich von Wohlstand, Macht und gesellschaftlicher Stellung nicht beeindrucken ließ. Er war ein Verteidiger der Unterdrückten und Armen, ein Ankläger der privilegierten Reichen, die im Namen Gottes Unrecht und Unterdrückung rechtfertigten.

Wie der Apostel Paulus kündigte auch Amos sowohl dem religiösen als auch dem nicht religiösen Volk Gottes Gericht an.

Er beginnt mit den Unreligiösen, Israels Nachbarn, die „schwerste Verbrechen begangen“ hatten (1,3). Dass sie „die Bewohner Gileads grausam misshandelt und zu Tode gequält“ haben, wird Gott „nicht ungestraft lassen“ (1,3; Hfa). Sie hatten Menschen versklavt (1,6), keine Gnade walten lassen (1,11), Schwangere aufgeschlitzt (1,13) und Leichen geschändet (2,1). Amos spricht von Gottes Zorn angesichts solcher schrecklicher Sünden (1,3.6.9.11.13).

Sowohl Amos als auch Paulus (Römer 1,18-20) sprechen von einem „Naturgesetz“. Selbst wer das geschriebene Gesetz Gottes nicht kennt, kennt das „Naturgesetz“, das „in ihr Herz geschrieben ist“ (Römer 2,15). Von manchen Sachen weiß man einfach, dass sie falsch sind. Das war letztlich die Grundlage, auf der nach dem 2. Weltkrieg in den Nürnberger Prozessen die Angeklagten verurteilt wurden.

Wie Paulus (Römer 2,12) fährt auch Amos fort und sagt, dass Gottes Volk, das das geschriebene Gesetz kenne, an einem strengeren Maßstab gemessen werde. Amos kommt vom Gericht gegen Nichtjuden zum Gericht Gottes gegen Juda und Israel, denn „sie haben das Gesetz des Herrn verachtet und seine Gebote nicht bewahrt“ (2,4).

Obwohl Gott ihnen immer geholfen hatte, z.B. hatte Er „für sie die Amoriter vernichtet“ (2,9), hielten sie Seine Gebote nicht. Ganz besonders störte Gott ihre Haltung zu den Armen und Bedürftigen. Ihre Herzen waren hart geworden. „Denn sie haben Gerechte für Silber und Arme für ein Paar Sandalen verkauft. Sie haben die Schwachen in den Staub getreten und den Unterdrückten ihr Recht vorenthalten“ (2,6c-7b). Auch waren sie der Sklaverei und sexueller Sünden schuldig (7c).

Gleichzeitig „machen sie sich neben jedem Altar weiche Polster aus den Kleidern, die sie den Armen als Pfand wegnehmen. Im Tempel ihres Gottes saufen sie Wein, den sie für nicht bezahlte Schulden gefordert haben“ (2,8; Hfa).

Die Sünden Seines Volkes mögen nicht so furchtbar wie die der Heiden sein, aber das Urteil gegen sie fällt hart aus (2,13.16), weil Gott sie so reich gesegnet hat (2,10-11). Dass unsere Schuld vielleicht weniger schlimm ist als die von anderen Menschen, ist kein Grund zur Freude. Unsere Schuld mag weniger offensichtlich sein, doch Gott sieht sie, wie sie wirklich ist. Danke Ihm für Seine Vergebung und Gnade, die wir durch Jesus empfangen.

Gebet

Herr, gib mir ein weiches, barmherziges, liebevolles Herz im Blick auf die extreme Armut und das Unrecht dieser Welt – und harte Sohlen und Mut, mich auf den Weg zu machen und dagegen vorzugehen.

Pippa fügt hinzu

Sprüche 17,6
„Eltern sind der Stolz ihrer Kinder.“ – Wollen wir’s hoffen!

Sprüche 17,14
„Einen Streit anzufangen gleicht dem Öffnen eines Dammes; deshalb lass eine Sache lieber auf sich beruhen, bevor es zum Streit darüber kommt.“

Beim Streiten ist die Versuchung groß, das letzte Wort haben zu wollen. Meinungsverschiedenheiten geraten so leicht außer Kontrolle. Der Vers fordert uns auf, die Sache auf sich beruhen zu lassen und weiterzumachen.

Thought for the Day

Gott möchte, dass wir ein weiches Herz haben, erfüllt mit Liebe und Mitgefühl. Das Problem ist, dass wir ein hartes Herz und weiche Sohlen haben. – Jackie Pullinger

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Verweise

Diesen Texten liegt die englisch-sprachige Bible in one Year („BIOY“) von Nicki und Pippa Gumbel, London, England zugrunde, in der aktuellen Fassung von 2021.
Quellenangaben für Zitate im Text wurden dem englischen Original entnommen.
BIOY ist Teil von Alpha International. Alpha International ist eine Organisation („registered Charity“) in England und Wales (no. 1086179) und in Schottalnd(no. SC042906) und eine Gesellschaft privaten Rechts „by guarantee“ und registriert in England & Wales (no. 4157379). Der Hauptsitz ist „HTB Brompton Road SW7 1 JA London, England. © Copyright Alpha International 2021

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde erstellt von: Dipl. Übersetzerin Wibke Kiontke, Allgemein ermächtigte Übersetzerin EN/DE, Certified Translator EN/GE, Gutensteinstraße 12, D-61250 Usingen
Sprecher: Jörg Pasquay, Milchberg 7, 86150 Augsburg www.wortmuehle.de und Susanne Pasquay („Noch ein Gedanke meiner Frau“) \t Die Bibeltexte (Lesungen) sind der Übersetzung „Hoffnung für alle®“ entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis, Basel.“

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