Tag 94

Wie man liebt

Weisheit Psalm 40,10–11
Neues Testament Lukas 9,46-48
Altes Testament 4. Mose 36,13

Einführung

Vier Kugeln trafen Papst Johannes Paul II. – zwei davon den unteren Darm, die beiden anderen seine linke Hand und den rechten Arm. Schwerverletzt und trotz großen Blutverlusts überlebte der Papst im Mai 1981 das Attentat auf seine Person. Er erlangte nie mehr die volle Gesundheit. Im Juli 1981 wurde der Attentäter, Ali Ağca, zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Papst Johannes Paul II. bat die Menschen „für meinen Bruder Ağca zu beten. Ich habe ihm aufrichtig vergeben“.

Zwei Jahre später ergriff er die Hand des damals noch inhaftierten Ali Ağca und sagte ihm, dass er ihm die Tat vergeben habe (obwohl der ihn nicht um Vergebung gebeten hatte). Über die Jahre entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden. 1987 traf der Papst Ağcas Mutter, zehn Jahre später dessen Bruder. Im Jahr 2000 wurde Ağca auf Bitten des Papstes vom italienischen Präsidenten begnadigt. Im Februar 2005 wünschte Ağca dem Papst in einem Brief alles Gute. Als dieser dann am 2. April 2005 starb, gab Ağcas Bruder Adrian in einem Interview an, dass seine Familie um den Papst trauere; er sei ein guter Freund geworden.

Die Liebe, mit der Papst Johannes Paul II. reagierte, ist vorbildlich. Gottes Liebe und Gnade ist noch außergewöhnlicher, denn „An Jesu Kreuz ist die Vergebung vollkommen. Liebe und Gerechtigkeit werden eins, Wahrheit und Gnade treffen aufeinander. “

Weisheit

Psalm 40,10–11

10 Vor der ganzen Gemeinde erzähle ich voll Freude,
 wie gerecht du bist und handelst.
 HERR, du weißt: Nichts kann mich abhalten, davon zu reden!
11 Nie will ich verschweigen, dass du für Recht sorgst.
 Vor der ganzen Gemeinde rede ich von deiner Treue und Hilfe;
 ich erzähle, wie ich deine große Liebe erfahren habe.

Kommentar

Liebe und Wahrheit

Jesus personifizierte die Liebe Gottes, aber Er sagte auch „Ich bin… die Wahrheit” (Johannes 14,6). Der Heilige Geist gießt Gottes Liebe aus in unsere Herzen (Römer 5,5), aber er ist auch der Geist der Wahrheit (Johannes 15,26). Wahrheit wird hart, wenn sie nicht durch Liebe gemildert wird; Liebe verliert an Kraft, wenn sie nicht durch Wahrheit gestärkt wird.

David sagt, „Deine Gerechtigkeit verbarg ich nicht in meinem Herzen, ich redete von deiner Wahrheit und von deinem Heil; deine Gnade und Wahrheit verschwieg ich nicht“ (40,11; SLA). Er betet weiter, „lass deine Gnade und deine Wahrheit mich allezeit behüten“ (40,12b; SLA). Liebe und Wahrheit sind bei ihm nicht gleichermaßen exklusiv, sondern ergänzen sich. Die Wahrheit über Gott ist, dass Er dich liebt; Er ist treu und gerecht, und Er bringt Gerechtigkeit über die Erde.

So wie Liebe und Wahrheit zusammengehören, gehören auch Gerechtigkeit und Gnade zusammen. Der Gedanke von Gerechtigkeit (wie in 40,11) und Recht sind in der Bibel eng miteinander verbunden. In diesem Abschnitt plädiert David an Gottes Barmherzigkeit – auf Basis seiner Kenntnis von Gottes Gerechtigkeit: „Herr, du wirst mir auch weiterhin gnädig sein…Meine Sünden türmen sich vor mir auf, sodass ich den Weg nicht mehr vor mir sehe. Sie sind zahlreicher als die Haare auf meinem Haupt, darum bin ich mutlos geworden“ (40,12a.13b). Sünde macht uns blind. Wir brauchen Gottes Gnade und Vergebung, damit wir wieder klar sehen können.

Gebet

Herr, Deine Gnade und Treue sind meine einzige Hoffnung.

Neues Testament

Lukas 9,46-48

46 Eines Tages kam unter den Jüngern die Frage auf, wer von ihnen der Wichtigste sei. 47 Jesus durchschaute, was in ihren Herzen vor sich ging. Er rief ein kleines Kind, stellte es neben sich 48 und sagte: »Wer solch ein Kind mir zuliebe aufnimmt, der nimmt mich auf. Und wer mich aufnimmt, der nimmt damit Gott selbst auf, der mich gesandt hat. Wer der Geringste unter euch allen ist, der ist wirklich groß.«

Kommentar

Liebe und Barmherzigkeit

Hattest du schon einmal ein „Gipfelerlebnis“ mit Gott, das dich Jesus ganz nahe hat sein lassen? Mit so einer Erfahrung beginnt unser heutiger Abschnitt.

Jesus nimmt Petrus, Johannes und Jakobus mit auf einen Berg, um zu beten. Während Jesus betet, sehen die drei Jünger, wie Er vor ihren Augen verwandelt wird. Sie sehen Seine Herrlichkeit (9,32). Petrus sagt zu Jesus, „Meister, wie wunderbar ist das“ (9,33). Sie spüren deutlich Gottes Nähe (9,34), und sie hören Ihn sagen, „Dies ist mein Sohn, mein Auserwählter. Hört auf ihn“ (9,35).

So wie die Jünger „wieder vom Berg herabgestiegen waren“ (9,37), musst auch du den Gipfel deiner Gotteserfahrung wieder verlassen. Solche Gipfelerlebnisse inspirieren uns, aber in den Tälern gewinnen wir an Reife.

Unten angekommen, erwartete sie das wahre Leben – Scheitern in ihrem Dienst, Mangel an Verständnis und Rivalität. Ein Gipfelerlebnis kann dir aber dabei helfen, dein Leben unten aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.

Jesus fordert Seine Nachfolger zu einer allumfassenden Liebe auf. Er fordert dich auf, die Menschen willkommen zu heißen: „Jeder, der ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt meinen Vater auf, der mich gesandt hat“ (9,48). Du sollst die Menschen willkommen heißen, auch wenn sie nichts für dich tun können.

Es ist wirklich wichtig, wie du den Menschen begegnest. Es gibt herzliche und einladende Menschen, aber nicht alle sind so. Manche Gemeinden sind herzlich und einladend, andere sind es nicht. Mich begeistert die Willkommenskultur der Hillsong Gemeinden und ihrer Konferenzen. Sie scheinen ein tiefes Verständnis davon zu haben, dass sie mit jedem Menschen, den sie willkommen heißen, Jesus willkommen heißen. Und indem sie Jesus einladen, laden sie den ein, der Ihn gesandt hat.

Johannes erzählt, „wir haben gesehen, wie einer in deinem Namen Dämonen austrieb, und haben versucht, ihn daran zu hindern, weil er nicht zu uns gehört“ (9,49). Jesus erwidert, „Hindert ihn nicht! Wer nicht gegen euch ist, ist für euch“ (9,50; vgl. Lukas 11,23). Nimm auch die Menschen jenseits deines unmittelbaren Freundes- und Bekanntenkreises, deiner Denominationen und kirchlichen Tradition an. Wenn sie nicht gegen Jesus sind, dann sind sie für Ihn, und als solche heiße sie willkommen.

Auf der anderen Seite soll es dich nicht überraschen, wenn du nicht überall willkommen bist. Selbst Jesus war nicht überall willkommen. Als Sich Jesus aufmachte nach Jerusalem, schickte er „Boten voraus in ein Dorf in Samarien, um seine Ankunft vorzubereite. Doch sie wurden abgewiesen“ (9,52-53).

Meine spontane Reaktion auf Abweisung sähe ähnlich aus wie die von Jakobus und Johannes – ich würde nach Rache sinnen. Als die Jünger sahen, wie Jesus behandelt wurde, fragten sie, „Herr, sollen wir Feuer vom Himmel regnen lassen und sie verbrennen“ (9,54). Vergeltung ist jedoch nicht die richtige Antwort: „Jesus drehte sich um und wies sie zurecht“ (9,55)

Jesus, der die Wahrheit ist, und der Gottes Gericht am Kreuz auf Sich nahm, zeigt uns, was es heißt, selbst unsere Feinde zu lieben und ihnen barmherzig zu sein.

Gebet

Herr, hilf mir, zu lieben wie Jesus. Hilf mir, keine Vergeltung zu suchen, sondern meine Liebe und Barmherzigkeit auch auf meine Feinde auszudehnen.

Altes Testament

4. Mose 36,13

13 Diese Gesetze und Vorschriften gab der HERR den Israeliten durch Mose, als sie in der moabitischen Steppe östlich des Jordan, gegenüber von Jericho, lagerten.

Kommentar

Liebe und Gerechtigkeit

Das ganze gesellschaftliche Leben der Israeliten wurde unmittelbar von Gott regiert. Das lief vollkommen anders ab, als wir das heute kennen. Wie wir gesehen haben, gab es einige Gesetze von universaler Relevanz, andere bezogen sich speziell auf das alte Israel. Heute kommen wir an den Anfang einer Art Leitfaden für Rechtspraxis im alten Israel.

Die Todesstrafe auf Mord war der Ausdruck, dass das Leben eines Menschen heilig ist (1. Mose 9,6). Jemandem das Leben zu nehmen, war eine ernste Sache, deshalb musste auch die Strafe darauf hart sein. In der damaligen Gesellschaft war die Alternative – z.B. eine lebenslange Haftstrafe – schwer durchführbar.

Wir sehen, dass unterschieden wurde zwischen Mord aus „Vorsatz“ (35,20) und „versehentlich und nicht aus Vorsatz“ (35,22; was de facto Totschlag ist). Wir sehen auch die Anfänge des Rechts auf eine Verhandlung – durch das Volk. Wer eines Verbrechens angeklagt wurde, soll „in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung“ erscheinen (35,12; GNB). Über ihn „soll die Gemeinschaft nach dieser Rechtsordnung … Recht sprechen“ (35,24).

„Der Bluträcher“ (35,19; LUT) nahm nicht selbst Rache. Der Fall gehörte vors Gericht (35,12). Die Beweislage musste überzeugend sein, denn „ein einzelner Zeuge reicht aber nicht aus, um gegen jemanden das Todesurteil zu fällen“ (35,30). Bestechung war verboten (35,31).

Das Neue Testament unterscheidet zwischen der Moral des Staates und des Einzelnen. „Die Regierung ist von Gott dazu eingesetzt, dich zu unterstützen. Wenn du jedoch Unrecht tust, ist deine Angst begründet, denn du wirst bestraft werden. Sie ist von Gott dazu eingesetzt, diejenigen in seinem Auftrag zu bestrafen, die Unrecht tun“ (Römer 13,4). Es ist Aufgabe des Staates, andere zu schützen. Tatenlos Ungerechtigkeiten zuzusehen ist lieblos und unchristlich und bedeutet, das Böse durchgehen zu lassen und das Leid der Opfer zu ignorieren.

Auf persönlicher Ebene lehren uns sowohl Jesus als auch Paulus, keine Vergeltung zu üben (Matthäus 5,38-42; Römer 12,17-19). Diese liebvolle, vergebende Haltung ist nicht gleichzusetzen mit der Verwehrung von Gerechtigkeit, sondern ist vielmehr Ausdruck von Vertrauen, dass Gott Gerechtigkeit schenken wird (Römer 12,19). Je mehr wir auf Seine Gerechtigkeit vertrauen, desto mehr werden wir befähigt, zu lieben wie Er. Miroslav Volf schreibt, „Gewaltlosigkeit zu praktizieren, erfordert den Glauben an göttliche Vergeltung.” Er erläutert, „Wenn man weiß, dass der Peiniger nicht ewig über das Opfer triumphieren wird, ist man frei, die menschliche Seite dieser Person wiederzuentdecken und Gottes Liebe zu ihr nachzuahmen.“

Die Unterscheidung zwischen der staatlichen und der persönlichen Moralität führt bei uns allen zu einer Spannung. Als Einzelner sind wir alle von Jesus aufgerufen, keine Rache zu üben. Als Bürger haben wir die Pflicht, Verbrechen zu verhindern und Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Diese Spannung auszuhalten ist nicht leicht, aber die Liebe zwingt uns dazu. Wir sollten uns immer von Liebe und Gerechtigkeit, nicht aber von Rache und Vergeltung antreiben lassen. In jeder Situation soll Liebe unser Handeln bestimmen.

Gebet

Herr, bitte hilf mir, eine Leidenschaft für Wahrheit und Gerechtigkeit mit einer liebevollen und barmherzigen Einstellung in Einklang zu bringen.

Pippa fügt hinzu

Lukas 9,46–48

Ich fasse es nicht! Da diskutieren sie wieder darüber, wer denn nun der Größte von ihnen ist. Naja, immerhin sind sie ehrlich. In Vers 48 heißt es, „Wer der Geringste unter euch ist, der ist der Größte.“ Wahre Demut ist wunderschön und inspirierend.

Thought for the Day

Gipfelerlebnisse inspirieren uns, aber in den Tälern gewinnen wir an Reife.

reader

App

Hol dir die "The Bible with Nicky and Pippa Gumbel" App für iOS oder Android und starte die Bibel regelmäßig zu lesen oder zu hören.

reader

Email

Registriere dich jetzt, um "Bibel in Einem Jahr" jeden Morgen in deinem Posteingang zu haben. Du bekommst jeden Tag eine E-Mail.

reader

Podcast

Einfach abonnieren und "Bibel in einem Jahr" täglich in deiner Lieblings-Podcast-App anhören.

reader

Website

Starte gleich hier auf der Website mit dem Lesen von Bibel in einem Jahr.

Jetzt lesen

Verweise

Diesen Texten liegt die englisch-sprachige Bible in one Year („BIOY“) von Nicki und Pippa Gumbel, London, England zugrunde, in der aktuellen Fassung von 2021.
Quellenangaben für Zitate im Text wurden dem englischen Original entnommen.
BIOY ist Teil von Alpha International. Alpha International ist eine Organisation („registered Charity“) in England und Wales (no. 1086179) und in Schottalnd(no. SC042906) und eine Gesellschaft privaten Rechts „by guarantee“ und registriert in England & Wales (no. 4157379). Der Hauptsitz ist „HTB Brompton Road SW7 1 JA London, England. © Copyright Alpha International 2021

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde erstellt von: Dipl. Übersetzerin Wibke Kiontke, Allgemein ermächtigte Übersetzerin EN/DE, Certified Translator EN/GE, Gutensteinstraße 12, D-61250 Usingen
Sprecher: Jörg Pasquay, Milchberg 7, 86150 Augsburg www.wortmuehle.de und Susanne Pasquay („Noch ein Gedanke meiner Frau“)

Die Bibeltexte (Lesungen) sind der Übersetzung „Hoffnung für alle®“ entnommen, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis, Basel.“

Bibel in einem Jahr

  • INTRODUCTION
  • WISDOM BIBLE
  • WISDOM COMMENTARY
  • NEW TESTAMENT BIBLE
  • NEW TESTAMENT COMMENTARY
  • OLD TESTAMENT BIBLE
  • OLD TESTAMENT COMMENTARY
  • PIPPA ADDS

Diese Website speichert Daten wie Cookies, um die erforderliche Website-Funktionalität und Analyse zu ermöglichen. Mehr dazu